Studie entdeckt potenziellen Schlüssel zu einem günstigeren und leichter zugänglichen Impfstoff gegen Haemophilus influenzae Typ B
6. Juni 2023
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by Medizinische Hochschule Hannover
Das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) kann bei Kleinkindern schwere Erkrankungen wie Meningitis und Blutvergiftung verursachen. Forscher des MHH-Instituts für Klinische Biochemie haben den Weg der Bakterienkapsel entschlüsselt und die Grundlage für die Herstellung eines kostengünstigen und sicheren Hib-Impfstoffs geschaffen.
Das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) besiedelt die menschliche Nasenhöhle. Es verursacht Infektionen der oberen und unteren Atemwege, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Aber auch schwerwiegendere Erkrankungen wie eine Mittelohrentzündung, eine Hirnhautentzündung oder eine Blutvergiftung (Sepsis) können durch Hib verursacht werden. Das Bakterium umgibt sich mit einer Hülle aus vielen Zuckerketten, die auch als Kapselpolymere bezeichnet werden. Mit den Kapselpolymeren schützt sich das Bakterium vor dem Immunsystem des Wirts und kann so im menschlichen Körper überleben.
Es gibt Impfstoffe gegen Hib, die die Zuckerpolymere in der Kapsel enthalten und das Immunsystem auf diese Antigene trainieren. Ihre Herstellung ist jedoch aufwendig und teuer. Denn die Antigene müssen direkt aus infektiösen Bakterienkulturen gewonnen werden, was ein Labor mit ausreichender Sicherheit erfordert.
Dem Team um Dr. Timm Fiebig vom Institut für Klinische Biochemie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist es nun erstmals gelungen, den Entstehungsweg des Kapselpolymers vollständig zu entschlüsseln und damit das Potenzial zur Herstellung des Impfantigens zu schaffen kostengünstig und sicher durch enzymatische Synthese ohne den Einsatz von Krankheitserregern. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht.
„Die Aufklärung des Biosynthesewegs ermöglicht eine wesentlich elegantere Herstellung von Hib-Impfstoffantigenen aus weit verbreiteten und kostengünstigen Vorläufern in einem Standardlabor, ohne dass gefährliche Bakterien in Bioreaktoren gezüchtet werden müssen“, sagt Dr. Fiebig, Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielle Glykobiochemie und Impfstoffentwicklung.
Trotz der hohen Wirksamkeit des in Deutschland in den 1990er Jahren eingeführten Hib-Impfstoffs ist das Bakterium in ungeimpften Gesellschaften immer noch die Hauptursache für bakterielle Meningitis bei Kindern unter einem Jahr. Dank der Einfachheit des neu entdeckten Synthesewegs könnte die Verbreitung des Impfstoffs weltweit verbessert werden.
Das Forschungsteam hat jedoch nicht nur den Produktionsweg selbst aufgeklärt, sondern auch die Enzyme beschrieben, die diesen Prozess steuern. „Wir haben nun erstmals umfassend verstanden, wie das Bakterium seine Polymerkapsel aufbaut und welche Enzyme es dafür als Werkzeuge nutzt“, sagt Dr. Fiebig. Diese Enzymfabrik kann nun unter sicheren Bedingungen im Reagenzglas nachgebildet werden. Das wichtigste Enzym ist die sogenannte Kapselpolymerase, die die eigentliche Polysaccharidkapsel und damit das Antigen für den Impfstoff herstellt.
Das Enzym besteht aus vier Untereinheiten. Drei von ihnen übertragen chemische Bausteine, die in den Oberflächenpolymeren vieler anderer Bakterien vorkommen und zur pathogenen Wirkung der Krankheitserreger beitragen. Allerdings war bisher nicht bekannt, welche Enzyme diese Bausteine übertragen und wie diese Enzyme dreidimensional aussehen. Dies ist jedoch von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung antibakterieller Wirkstoffe und für die Entdeckung neuer Enzyme, die steuern, wie Bakterien unser Immunsystem betrügen und wie ansteckend sie sind.
Dieselben Polymerasestrukturen konnten die Forscher auch bei anderen Bakterien identifizieren. Dazu gehören das Darmbakterium Escherichia coli, die antibiotikaresistenteste Acinetobacter-Spezies oder auch die Listerien, die auf kontaminierten Lebensmitteln vorkommen.
„Unsere Erkenntnisse könnten auch zur Entwicklung von Impfstoffen oder Medikamenten gegen diese und andere Krankheitserreger genutzt werden, etwa durch die Entwicklung von Substanzen, die die neu entdeckten Enzyme blockieren und so die Bildung der Schutzkapsel unterbrechen“, sagt Dr. Fiebig. Angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen Antibiotika ist dies eine vielversprechende Option im Kampf gegen Bakterien. Um dies zu erreichen, sind jedoch weitere Untersuchungen erforderlich.
Mehr Informationen: Javier O. Cifuente et al, Eine Multienzymmaschine polymerisiert die Haemophilus influenzae Typ B-Kapsel, Nature Chemical Biology (2023). DOI: 10.1038/s41589-023-01324-3
Zeitschrifteninformationen:Naturchemische Biologie
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